Ana Torfs: Albums/Tracks A

erschienen in: Missy (Popfeministisches Magazin), Februar 2010

Magnolie, Bougainvillea, Strelitzie....klingt das nicht nach Sommer und Exotik, einem trägen Tag im Süden und schwerem Blütenduft in der Mittagshitze? – Also, noch einmal tief einatmen, ausatmen...und dann der Tatsache ins Auge sehen, dass auch die Pflanzenwelt als Schauplatz feministischer Diskurse dienen kann.

Die wunderschöne Bougainvillea ist benannt nach dem französischen Admiral Louis Antoine de Bougainville. Der Name der betörend duftenden Magnolie leitet sich ab vom französischen Botaniker Pierre Magnol, der im 18. Jahrhundert den Begriff der „Familie“ in der botanischen Systematik schuf. Und die exzentrisch geformte Strelitzie bekam ihren Namen als Ehrerweis an Prinzessin Sophie Charlotte of Mecklenburg-Strelitz, spätere Königin von England. – Soviel zu Sommer und Exotik. In den Namen der von uns so geliebten Blumen des Südens drückt sich dröge Wissenschaftsgeschichte aus, männlich geprägt – dass mal eine Frau wie die Königin namengebend ist, bleibt die Ausnahme! – und auch noch kolonialistisch, denn oftmals hatten die Blumen in ihren Herkunftsländern natürlich bereits Namen, die damit einfach missachtet und vergessen wurden.

In ihrer neuen Foto-Serie „Family Plot #1“ legt die in Brüssel lebende Künstlerin Ana Torfs (*1963 in Mortsel, Belgien) all diese Bezüge übereinander, dabei entstehen wunderhübsche, verspielte, gar sexy Fotografien, die nicht nur leicht ironisch die komplizierten Beziehungen zwischen Botanikern und zu ehrenden Namengebern als Stammbäume wiedergeben, sondern auch die Sinnlichkeit sprießender Blüten und die überaus spannenden Geschlechterverhältnisse in der Pflanzenwelt abbilden – was da bei allem Fortpflanzungstrieb Männlein oder Weiblein ist, weiß nämlich manchmal niemand mehr so genau. Großartig!
Ana Torfs arbeitet stets mit vielfältigen kulturhistorischen Bezügen, dabei reicht ihr Spektrum von der Auseinandersetzung mit den Verhörprotokollen im Fall der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht für die Dia-Installation „Anatomy“ (2006) bis hin zum ‚Remake’ von Roberto Rossellinis Beziehungsdrama „Reise nach Italien“ (Viaggio in Italia, 1954) für ihre allerneueste Dia-Installation „Displacement“. Die Bilder für „Displacement“ entstanden während eines Aufenthaltes auf der schwedischen Insel Gotland und erzählen die Geschichte einer Frau und eines Mannes besonders eindringlich mit der von Ana Torfs schon früher erprobten Technik der Schwarzweiß-Dia-Installation mit Sound. Der Text zu den Bildern wird von Schauspielern gesprochen. Durch ihre professionelle Vortragsweise entsteht so etwas wie ein Verfremdungseffekt, der jedoch die archetypische Geschichte nur dichter werden lässt.

„Unsere Gesellschaft ist eine wiedererzählte Gesellschaft“, sagt die Künstlerin. Deshalb interessiert sie sich besonders für Geschichten und die Mechanismen, wie sie erzählt werden, vor allem im Kino und in der Literatur. Zum ersten Mal öffnet Ana Torfs ihr gesamtes Album zur Einsicht mit ihrer Schau „Album/Tracks A“ ab Ende Februar in K21, Düsseldorf, und dem zweiten Teil „Album/Tracks B“ in der Generali Foundation in Wien ab September.

ALBUM/TRACKS A, 27.2. bis 18. Juli, in K21, Ständehausstraße 1, Düsseldorf, Di bis Fr 10 - 18, Sa, So und feiertags 11 – 18 Uhr
www.kunstsammlung.de

ALBUM/TRACKS B, 3.9.-12.12.10, in Generali Foundation, Wiedner Hauptstraße 15
Foundationsquartier, Wien, Di bis So, feiertags 11 bis 18, Do bis 20 Uhr
http://foundation.generali.at

Zu den Ausstellungen erscheint das von der Künstlerin selbst gestaltete Buch ALBUM/TRACKS A+ B, das weniger als Ausstellungskatalog zu verstehen ist denn als Ergänzung ihrer Kunstwerke, als Künstlerbuch mit tollen Abbildungen und Texten von Sabine Folie, Doris Krystof, Kassandra Nakas, Catherine Robberechts, Michael Glasmeier, Anselm Franke, Friedrich Meschede, Steven Jacobs.