Der wilde Osten
Ausgehen in London – eine Orientierungshilfe
erschienen in: Kunstzeitung, Oktober 2009
Anders
als in Basel, wo sich in der Messewoche alle Ausgehwilligen früher oder
auch gerne sehr viel später auf der Kunsthallenparty zusammenfinden,
haben die Besucher der „Frieze“ in London die Qual der Wahl: welchen der
vielen angesagten Spots, deren Namen man mitunter verschwörerisch ins
Ohr geraunt bekommt, soll man ansteuern, wenn man keine Lust mehr auf
Messe- und Eröffnungstrubel hat, aber trotzdem noch Kunstdunst atmen
will?
Die weniger Abenteuerlustigen folgen wohl den Galeristen ihres
Vertrauens, vermutlich eher in Messenähe in den Westen Londons, zum
Beispiel zur Bar im Dukes Hotel (St James’s Place, Postcode SW1), um
dort einen der legendären Martinis zu nehmen, oder in die „101 Bar im
Center Point“ (101 New Oxford Street, WC1).
Allen anderen sei der
Weg ins East End ans Herz gelegt, denn nach wie vor tobt in Shoreditch,
Bethnal Green, Dalston und drumherum das Leben, wie man es spätestens
seit den Zeiten der YBA in den neunzigern von London erwartet, also
gerne auch mal sehr schrill und sehr exzentrisch und oft einschüchternd
cool.
Ein Klassiker für die Londoner Kunstszene ist das „St. John
Bread & Wine Spitalfields” (94-96 Commercial Street, E1), wo man an
blanken Holztischen zu gutem Essen vorzüglichen Wein trinken kann. Die
Wahrscheinlichkeit, dass am Nebentisch gerade ein Vernissagendinner oder
ein intimes Sammler-Künstler-tête-à-tête stattfindet, ist hier
ganzjährig sehr hoch – unbedingt vorher reservieren! (Das gilt in London
sowieso immer.)
Für die besser Betuchten empfiehlt sich auch
das stilvolle „Hix Oyster & Chop House“ (36-37 Greenhill Rents,
Cowcross Street, EC1), dessen Chef Mark Hix dieses Jahr zum ersten Mal
auch auf der „Frieze“ seine Lieblingsgerichte servieren wird. Die etwas
Sparsameren gehen zu einem der zahlreichen sehr guten Vietnamesen auf
der Kingsland Road (hier werden unter anderem regelmäßig Gilbert &
George gesichtet), zum Beispiel in das hervorragende „Song Que Cafe“
(134 Kingsland Road, E2).
Die Gegend mit dem Postcode E2 braucht
man dann für einen Ausgehabend inmitten der Londoner art crowd nicht
mehr zu verlassen – allseits beliebt bei Künstlern und
Ausstellungsmachern ist die „Bistrotheque“ (23-27 Wadeson Street, E2),
wo sich hippe Galerinas und Galerinos aus der nahegelegenen Vyner Street
(auch ein Hot Spot! – besonders am jeweils 1. Donnerstag des Monats) zu
Vernissagendinner oder After-Opening-Drinks treffen. Wer es schräg mag,
sollte den im 18. Jahrhundert etablierten Pub „The Birdcage“ (80
Columbia Road, E2) ausprobieren oder das „George and Dragon“ (2 Hackney
Road, E2), ein nicht weit vom Hoxton Square, gleich an der Shoreditch
Church gelegenes Pub – hier gibt es bisweilen Ausstellungen auf der
Toilette, und das stylishe, queere Partyvolk trinkt Bier aus
Plastikbechern zu Pop und Disco der abseitigeren Sorte.
Außerdem von
vertrauenswürdigen und party-erprobten Londoner Künstlern, Kuratoren
und Galeristen empfohlene Bars und Clubs: das „Savoy Cafe“ (240 Graham
Road, E8), das unter anderem Performances und Interventionen
veranstaltet, der hippe „Dalston Superstore“ (117 Kingsland Road, E8),
für Fans neuer Musik jenseits des Mainstreams das „Cafe OTO“ (18 - 22
Ashwin Street, E8) und schließlich, noch etwas weiter im Norden, das
kleine unprätentiöse „Bardens Boudoir“ (36 - 44 Stoke Newington Road,
N16).